Erneut haben die Arbeiter*innen des Öffentlichen Nahverkehrs mit einem Warnstreik den Druck in den laufenden Tarifverhandlungen (TV-N) auf die Kommunen erhöht. Fast in allen Bundesländern gingen dabei am 01.03.2024 neben den Mitgliedern der reformistischen Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ auch Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“ mit auf die Straße.
Seit einem Jahr besteht das Bündnis „ÖPNV braucht Zukunft“, bei dem FFF für eine öko-soziale Mobilitätswende gemeinsam mit Umweltverbänden die Arbeitskämpfe im Nahverkehr unter dem Motto #wirfahrenzusammen unterstützt. Schließlich sehen sie gemeinsame Interessen für eine bessere Versorgung im Bus- und Bahnverkehr, denn die Kolleg*innen fordern neben angemessener Bezahlung auch gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen durch mehr Personal. Finanziert werden soll dies durch zusätzlich 100 Milliarden Euro an staatlichen Investitionen bis 2030.
Daher wurde erneut eine gemeinsame Demo von Lohnabhängigen der „Kölner Verkehrs-Betriebe“ (KVB) zusammen mit den meist jugendlichen Aktivist*innen von „Fridays for Future“ organisiert. Über tausend Menschen zogen durch die Kölner Innenstadt zum Gewerkschaftshaus am Böckler-Platz. Doch die Beteiligung bei dieser Klimastreik-Aktion lag deutlich unter den Zahlen der Demonstration vom letzten September (siehe Bericht).
Dieses Mal fand jedoch im Anschluss noch eine weitere Demo an, denn am Nachmittag ging es gemeinsam zurück in die Altstadt, wo vor dem städtischen Veranstaltungssaal „Gürzenich“ die lokale CDU ihr Wahlprogramm diskutierte. Aus Protest gegen die geplante Verschärfung der Repression gegen Geflüchtete (samt Arbeitszwang und Sammellagern) fand dort eine antirassistische Kundgebung statt.
In der Nähe vom Heumarkt hatten sich hunderte Demonstrant*innen versammelt und prangerten an, dass die Christdemokrat*innen damit versuchen, der rechten AfD bei den anstehenden Europa- und Kommunalwahlen ausländerfeindliche Stimmen abzuwerben. Sogar über Massenabschiebung von ungeprüften Asylbewerber*innen in Nicht-Herkunfstländer nach dem britischen Ruanda-Modell wird diskutiert. Und das, obwohl seit Wochen hunderttausende Menschen im Land gegen den aktuellen Rechtsruck und die migrationsfeindlichen Pläne von rassistischen Politiker*innen protestieren.
Doch weil die tödlichen Folgen der Klimakatastrophe bereits heute weltweit Menschen zur Flucht zwingen und der ungebremste fossile Kapitalismus diese Situation weiter verschlimmert, sieht die Klimagerechtigkeitsbewegung eine Notwendigkeit für den antirassistischen Kampf um Asyl als Menschenrecht. Vor allem reiche Staaten, die durch ihre imperiale Lebensweise und (neo-)koloniale Ausbeutung des Globalen Südens profitieren, sollen zur Verantwortung gezogen werden.
Doch alle dramatischen Apelle an die politischen Parteien in Regierung und Opposition werden die Herrschenden nicht davon abhalten, weiterhin für Profit und Macht die Rohstoffe der Welt zu plündern, weltweit Menschen auszubeuten und den Widerstand dagegen mit Polizei- und Militärgewalt zu unterdrücken. Dennoch ist es wichtig, nicht nur in Bezug auf die dringend nötige sozial-ökologische Transformation, sondern auch hinsichtlich der Verteidigung der Rechte an Arbeitsplatz und Wohnort neue Wege für effektive Bündnisse zu suchen. Um den selbstbestimmten Kampf gegen diese zerstörerische Wirtschaftsweise wirksam zu verbinden mit dem Einsatz für gleichberechtigte Freiheit für alle – vor allem aber für Geflüchtete und Migrant*innen.
Dabei können wir nicht auf die Wahlpropagana des „sozialpartnerschaftlichen“ Staates vertrauen – egal ob er rot, grün, schwarz, gelb oder braun regiert wird. Sondern nur auf unsere vereinte Kraft in Betrieb und Kommune mit unseren eigenen Mitteln der direkten Aktion, wie Streik, Besetzung und Boykott.
Im Sommer 2023 wurde die Covid-19-Pandemie, durch die über 20 Millionen Menschen gestorben sind, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für beendet erklärt. Über 650 Millionen Menschen haben sich weltweit in den letzten vier Jahren mit dem „Coronavirus“ SARS-CoV2 angesteckt. Und erste Studien weisen darauf hin, dass mindestens 10% aller an Covid-19-Erkrankten auch an Langzeitfolgen leiden.
So sind in Europa 36 Millionen Menschen durch SARS-CoV-2 zu chronisch Kranken geworden. Alleine in Deutschland mussten bis Ende 2022 rund 70.000 Patient*innen mit Long Covid bzw. Post-Covid-Syndrom eine stationäre Rehabilitation in Anspruch nehmen. Durch den erneuten Anstieg der Infektionszahlen in aktuellen endemischen Infektionswellen ist durch erhöhte Krankenstände mit einer weiteren Zunahme negativer Auswirkungen auf Betrieb und Gesellschaft zu rechnen.
Aus gewerkschaftlichem Interesse am Arbeits- und Gesundheitsschutz und im Sinne einer sozial-medizinischen Aufklärung fragen wir uns daher: Was macht Long Covid mit den betroffenen Arbeiter*innen und welche Möglichkeiten der Rehabilitation oder Integration gibt es? Wie kann dieses Langzeit-Symptom als Berufskrankheit bzw. Arbeitsunfall anerkannt werden? Und welche Möglichkeiten zur Prävention am Arbeitsplatz stehen zur Verfügung?
Zunächst aber soll geklärt werden, was Long Covid eigentlich ist: Mit der Sammelbezeichnung Long-Covid-Syndrom werden gesundheitliche Beschwerden benannt, die in Folge einer Ansteckung mit dem SARS-CoV2-Virus meist schleichend und unterschiedlich stark auftreten. Dabei kann es sich um eine mehr als vier Wochen andauernde Covid-19-Erkrankung handeln oder um Symptome, die erst später auftreten [1]. Halten solche monatelangen Krankheitsbeschwerden dieser systemischen Gefäßerkrankung mehr als 12 Wochen an (bzw. treten sie dann erneut oder erstmalig auf), spricht man auch vom Post-Covid-Syndrom (PSC). Meist ist man dann aber längst nicht mehr ansteckend, außer man hat sich inzwischen neu infiziert.
Nach heutigen Erkenntnissen geht man davon aus, dass Long Covid kein einheitliches Krankheitsbild zeigt, sondern verschiedene mögliche langfristige Gesundheitsschäden verursacht. Das macht eine ärztliche Diagnose sehr schwierig. Es kann das Organsysteme betreffen, unterschiedliche Beschwerden verursachen und auch unterschiedliche Ursachen haben.
Häufige Krankheitszeichen
Zu den möglichen Folgen dieser Multiorgan-Erkrankung zählen sowohl physische, wie kognitive und psychische Symptome. Das bedeutet, dass die Erkrankten durch Einschränkungen des Denkens, sowie durch seelische und körperliche Probleme in ihrer alltäglichen Lebensqualität negativ betroffen sind.
Die Forschung hat mittlerweile einige häufige Krankheitszeichen herausgefunden, die zu Long Covid gerechnet werden: Autoimmunprozesse, dauerhafte Gefäßentzündungen und -verschlüsse, Darmerkrankungen oder ein Ausbrechen anderer Viren. Bestanden vor der Ansteckung mit SARS-CoV-2 bereits lang anhaltende Erkrankungen, so können diese durch Long Covid weiter verschlechtert werden.
Typische Anzeichen sind Erschöpfung und eine eingeschränkte Belastbarkeit (Fatigue), sowie Denk-Probleme, wie Wortfindungsstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Aber auch durch Nervenschäden verursachte Störungen des Empfindungsvermögens bzw. des Fühlens werden genannt, wobei besonders die Riech- und Geschmacksstörungen auf Covid-19 als Ursache hindeuten.
Hinzu kommen anhaltende Atemwegsbeschwerden, beispielsweise Husten und Kurzatmigkeit bzw. Atemnot, aber auch Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen. Weiterhin bekannte Anzeichen sind Hautveränderungen, Halsschmerzen, Haarausfall, Schlafprobleme, Benommenheit oder Schwindelanfälle. Sowie Lärm- und Lichtempfindlichkeit, aber auch Angstzustände und depressive Verstimmungen. Schließlich kann es infolge einer schweren Covid-19-Erkrankung – vor allem nach Beatmung auf der Intensivstation – auch zu einer post-traumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommen.
Solche Anzeichen können vereinzelt oder gleichzeitig bzw. nacheinander auftreten, teilweise vermehrt nach Belastung. Auch ohne einen schweren Verlauf von Covid-19 können leichte bis schwere Organschäden auftreten, beispielsweise an Lunge und Nieren. Aber auch Herz-Kreislauf- und Autoimmun-Erkrankungen oder Diabetes mellitus treten vermehrt auf.
Ursachen und Risiken
Vieles deutet darauf hin, dass Long Covid Ähnlichkeiten aufweist zu dem Erschöpfungssyndrom ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom). Dessen Ursachen sind bislang ungeklärt, aber wahrscheinlich spielen krankhafte Antworten des Immunsystems nach einer Virusinfektionen eine wichtige Rolle für diese andauernde Müdigkeit. Jede kleinste Anstrengung überlastet dabei die Betroffenen im Alltag und führt oft zu dauerhaftem Rückzug aus Betrieb und Gesellschaft. Einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse von 2022 hat herausgefunden, dass Long Covid Erkrankte über 100 Tage im Jahr arbeitsunfähig sind.
Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland haben ebenfalls 2022 festgestellt, dass erwachsene Covid-19-Erkrankte ein etwa dreifach höheres Risiko für diese chronische Müdigkeit (CFS) haben als nicht-infizierte. Unterschiedliche Studien belegen, dass weltweit mindestens 10% aller Covid-19-Kranken ein Long-Covid-Syndrom entwickeln, in Deutschland wurde 2022 eine Häufigkeit von 6,5% ermittelt.
Meist tritt die Krankheit bei Patient*innen im erwerbsfähigen Alter auf und vermehrt bei Frauen und Beschäftigte im Gesundheitswesen, was auf die geschlechtsspezifischen sozialen Berufen und häusliche Care-Arbeit als Risikofaktoren hinweist. Bei den seit 2022 vorherrschenden Virusvarianten (Omikron) ist dieser Anteil wohl niedriger als zuvor bei den aggressiveren Varianten (Alpha/Delta), aber er steigt bei jeder weiteren Neuinfektion weiter an [2].
Es werden zudem verschiedene Faktoren genannt, welche das Auftreten von Long Covid beeinflussen, wie beispielsweise die Schwere der Covid-19-Infektion oder die Virusvariante, sowie individuelle Faktoren, wie Geschlecht, Alter, Genanlagen, bestehende Erkrankungen und Impfstatus. Aber auch sozial-ökonomische Faktoren und Umweltbedingungen.
Warum und wie lange Patient*innen von Long Covid betroffen sind, konnte bisher nicht genau erklärt werden. Es wird vermutet, dass es sich um eine langanhaltende Autoimmun-Reaktion des Abwehrsystems handeln könnte, wobei körpereigene Zellen angegriffen werden. Möglicherweise lösen auch winzige Reste des Virus solche Reaktionen aus. Oder das Immunsystem bleibt noch nach einer Covid-19-Erkrankung in Alarmbereitschaft und greift daher Nieren, Lunge, Gehirn oder Blutgefäße an, was zu gefährlichen Entzündungen im Gewebe führt.
Vielleicht könnte es auch an einer Aktivierung der weit verbreiteten Herpes-Viren liegen, die wahrscheinlich Autoimmun-Erkrankungen und ME/CFS auslösen können. Andere Forschungen legen nahe, dass bei Long Covid kleinste Blutgerinnsel (Microclots) entstehen, die Durchblutungsstörungen verursachen. Damit wären jedenfalls einige der Beschwerden teilweise zu erklären, wie dauernde Müdigkeit, geistige Beeinträchtigung, Herzrasen, Kurzatmigkeit und Schmerzen.
Der lange Leidensweg zur Diagnose
Herausragende Krankheitsmerkmale von Long Covid, wie anhaltende Erschöpfung, führen am Arbeitsplatz schnell zu einer nachlassenden Belastbarkeit. Auch die als Brain Fog bezeichneten Gedächtnisprobleme und Störungen der Konzentration bzw. Koordination können den Arbeitsalltag erheblich erschweren, wobei oftmals Schmerzen, Atemnot oder Kreislaufbeschwerden hinzukommen. Das führt meist zu einer stark einschränkenden Belastungsintoleranz mit Leistungsabfall bis hin zum Zusammenbruch oder gar zu dauerhafter Arbeitsunfähigkeit.
Es wird davon ausgegangen, dass zwei Drittel der über 6 Monate Erkrankten nicht länger erwerbsfähig sind oder nur noch Teilzeitarbeit leisten können. Einzelne Betroffene können bei eingeschränkter Fähigkeit zur Selbstversorgung sogar dauerhaft zum Pflegefall werden. Denn bisher gibt es leider keine ursächliche Therapiemöglichkeit, sondern nur eine Behandlung der Symptome.
Ein Unternehmen ist zunächst für 6 Wochen verpflichtet, dem erkrankten Personal seinen Lohn weiter zu bezahlen. Danach übernimmt entweder die Krankenkasse (Krankengeld) oder bei Arbeitsunfällen die Berufsgenossenschaft durch Verletztengeld für höchstens 78 Wochen. Auch während einer Rehabilitationsmaßnahme gibt es Anspruch auf entsprechende Entgeltersatzleistungen.
Zudem gibt es möglicherweise nach Ablauf des Verletztengeldes eine Rente wegen teilweiser oder vollständiger „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE) gemäß SGB VI § 43 durch die Renten- oder Unfallversicherung. Hinzu kommen mögliche Ansprüche auf Haushaltshilfe und Pflegegeld. Außerdem kann man bei der Rentenversicherung auch „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ nach dem SGB XII beantragen, wobei in der Regel nach einem Jahr ein Folgeantrag nötig wird.
Long Covid von der gesetzlichen Unfallversicherung als eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall anerkannt zu bekommen ist jedoch äußerst schwierig. Meist werden die Beschwerden von den Vorgesetzten oder sogar von Ärzt*innen nicht ernst genommen. Das Leiden wird oft als psychosomatisch heruntergespielt oder auch von den Betroffenen selbst nicht als Krankheitssymptom erkannt, da die ursächliche SARS-Cov2-Infektion oder Covid-Erkrankung eventuell schon seit Monaten vorbei ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Symptomatik von Long Covid vielschichtig ist und eindeutige Labortests nicht vorhanden sind. Da es sich um eine Ausschlussdiagnose handelt, bei der zunächst auf andere Krankheiten untersucht wird, ist es hilfreich, wenn die Betroffenen ihre Beschwerden in eigenen Symptom-Tagebüchern oder durch Fragebögen erfassen. Zur Messung gibt es beispielsweise den PCS Score (Post-Covid-Syndrome Score) [3] oder auch Messinstrumente für den Schweregrad von chronischen Schmerzen (Brief Pain Inventory) [4], sowie das MoCA-Testverfahren auf kognitive Mängel (Montreal Cognitive Assessment) bzw. den Patient*innen-Fragebogen für Depression (PHQ-9). Die Belastungsreaktionen der Betroffenen können durch einfache Pulsmessung dokumentiert werden.
Eine neue Richtlinie zur Verbesserung der ärztliche Versorgung bei Long Covid (und seltenen Impfschäden) hilft dabei, den Gesundheitszustand systematisch zu erfassen. Und bei Symptomen, wie Belastungsintoleranz und Fatigue (bzw. Post-exertionelle Malaise), hinsichtlich ME/CFS zu bewerten. Dazu empfiehlt der Gemeinsame Bundesausschuss der Gesetzlichen Krankenversicherungen unter anderem das von einer Ansprechperson koordinierte gemeinsame, abgestufte Vorgehen, sowie einen gesteuerten Behandlungsplan aller interdisziplinär Beteiligten [5].
Betriebliche Wiedereingliederung
Nach längerer Erkrankung [6] gibt es jedoch grundsätzlich den Anspruch auf ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM) zur Gesundheitsförderung – unabhängig von der Betriebsgröße. Dabei geht es um Hilfen und Angebote für den stufenweise Wiedereinstieg in den Arbeitsplatz (Hamburger Modell) während des Bezugs von Krankengeld. Diese ergebnisoffenen Gespräche über die Art der Weiterbeschäftigung zu angepassten Arbeitsbedingungen (wie Homeoffice, Lärmschutz, Jobcoaching oder flexible Arbeitszeiten) sind für die Betroffenen jedoch freiwillig.
Und man hat Anspruch darauf, dass auch eine Vertrauensperson der eigenen Wahl daran teilnimmt, beispielsweise jemand von der Gewerkschaft oder eine Anwält*in. Im Einzelfall werden auch eine Arbeitsmediziner*in, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eine Vertreter*in des Rehabilitationsträgers hinzugezogen. Dabei ist natürlich auf den Datenschutz der Patient*innen zu achten.
Wird jedoch keine verpflichtende Belehrung über das Angebot einer betrieblichen Eingliederung angeboten, können Arbeitgeber*innen dafür gesetzlich nicht belangt werden. Aber ein nicht ordentlich durchgeführtes und unabgeschlossenes BEM-Verfahren kann eine spätere Kündigung aus Krankheitsgründen in Frage stellen [7].
Rehabilitation
Besteht ein Verdacht auf Long Covid, so ist zunächst die eigene Hausärzt*in bzw. Betriebsärzt*in die erste Anlaufstelle, aber auch Praxen für Kardiologie, Neurologie, Pneumologie, Psychosomatik und Rheumatologie. Diese können die Betroffenen dann mit der Diagnose „Post-Covid-19-Zustand“ (ICD-11: RA02) zu speziellen Schwerpunktpraxen oder in eine Long-Covid-Ambulanz vermitteln. Auch die Kassenärztliche Berufsvereinigung mit ihrem Patient*innen-Servicetelefon 116117 kann solche lokalen Kontakte herausfinden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) bietet zudem ein Suchverzeichnis an für ambulante oder stationäre Reha-Angebote [9]. Ein Heilverfahren ohne vorherige Krankenhausbehandlung kann bei den zuständigen Kostenträger*innen als meist vierwöche Reha-Behandlung, selbst beantragt werden. Dazu bedarf es jedoch eines aussagekräftigen ärztlichen Befundberichts, der sowohl einen körperlichen als auch einen psychosomatischen Behandlungsbedarf (Indikation) aufweisen kann. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Möglichkeit der Diagnose einer körperlichen Belastungsstörung hingewiesen (ICD-11: 6C20).
Außerdem ist es zur erfolgreichen Reha wichtig über eine Diagnose zu verfügen, welche auf der funktionsorientierten ICF-Klassifikation (International Classification of Functioning, Disability and Health) beruht. Damit kann eine medizinisch-therapeutische Heilbehandlung durch verschiedene Professionen ambulant oder stationär stattfinden. Dazu gehören Atemtherapie, Physiotherapie mit individuellen Sport- und Bewegungsangeboten, aber auch kognitives Training, Logopädie oder Ergotherapie, sogar Psychotherapie.
Anschließend sollte ein Konzept für die ambulante Reha-Nachbehandlung erstellt werden, zu der auch eine berufliche Belastungserprobung von vier bis sechs Wochen zur stufenweisen Wiedereingliederung am Arbeitsplatzzählen kann. Währenddessen soll den weiterhin Krankgeschriebenen ein Krankengeld bzw. Verletztengeld in Höhe von bis zu 80 % des letzten Bruttogehalts gezahlt werden.
Weitere Leistungen der Berufsgenossenschaften zur Erhaltung oder Erlangung eines passenden Arbeitsplatzes sind auch Berufsvorbereitungsmaßnahmen, Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung. Sowie eventuell finanzielle Unterstützung für die berufsbedingten Kosten von Kraftfahrzeugen oder Wohnungsmiete.
Überlastung vermeiden
Allgemein werden zur Behandlung auch angemessene körperliche Aktivitäten an der frischen Luft empfohlen, da diese unter anderem das Immunsystem anregen und Entzündungen vorbeugen können. Jedoch muss auf eine mögliche Überlastung durch „Post-exertionelle Malaise“ (PEM) geachtet werden. Daher wäre eventuell nur ein leichtes Training mit individuell angemessenem Energie-Management angebracht, um Überbeanspruchung während der Heilbehandlung zu vermeiden (Pacing).
Möglich wird dies auch durch eine angepasste „Erweiterte Ambulante Physiotherapie“ (EAP), welche von der Berufsgenossenschaft übernommen werden kann. Ein nach allgemeinen Vorstellungen von Heilbehandlung verordnetes Kraft- und Ausdauertraining zur körperlichen Aktivierung kann jedoch den Erfolg der Long-Covid-Rehabilitation in Frage stellen und zu einem Zusammenbruch (Crash) der Patient*innen führen anstatt durch schonendes „Pacing“ eine Überlastung zu vermeiden.
Daher ist es wichtig, dass das medizinische und therapeutische Personal über das nötige aktuelle Krankheitswissen verfügt. Eine Orientierung für diagnostische Ansätze und Therapien bieten unter anderem die aktuelle S1-Leitlinie „Long/ Post-Covid“ [10] und die S2k-Leitlinie „SARS-CoV-2, Covid-19 und (Früh-) Rehabilitation“ [11].
Anerkennung als Berufskrankheit
Für berufstätige Patient*innen gilt in der Regel die gesetzliche Rentenversicherung als Ansprechpartnerin zur Beantragung von Reha-Maßnahmen. Wenn es sich allerdings um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit handelt, so sind die Gesetzliche Unfallversicherung bzw. die Berufsgenossenschaften der jeweiligen Branche die zuständigen Kostenträgerinnen.
Oft streiten sich die Kostenträger*innen darum, wer im Versicherungsfall für die Behandlung zahlen muss und es kann zu langwierigen Widerspruchsverfahren kommen. Dabei ist es für die Erkrankten wichtig, die Zeit bis zum Antritt der Reha-Maßnahme überbrücken zu können. Bei Krankschreibungen, die nur noch durch eine digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) möglich sind, gilt es darauf zu achten, dass wegen der unklaren Dauer der Krankheit höchstens eine „voraussichtliche Rückkehr“ an den Arbeitsplatz vorhergesagt werden kann.
Um Covid-19 von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Man muss Mitarbeiter*innen in einer ambulanten oder stationären Einrichtungen des Gesundheitsdienstes, in einem Labor oder in der Wohlfahrtspflege sein. Außerdem gilt dies auch für „Personengruppen, die bei ihrer versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in einem ähnlichen Maße besonders ausgesetzt waren“ [12]. Was möglicherweise auch für Kosmetiker*innen und Friseur*innen zutrifft, vermutlich aber nicht für Kassierer*innen, Busfahrer*innen oder die auffällig häufig erkrankten Schlachthaus-Arbeiter*innen und Landwirtschaftshelfer*innen.
Man muss also nachweisen können, dass man sich genau dort während der Arbeit im Kontakt mit einer SARS-CoV-2-infizierten Person angesteckt hat. Zudem müssen Covid-19-Symptome erkennbar sein (unabhängig von der Schwere der Krankheit). Zum Nachweis ist außerdem ein Gen-Test (PCR) oder ein von qualifiziertem Personal durchgeführter Antigen-Schnelltest (PoC) nötig. Als erstes sollte eine “Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit“ bei der DGUV als Formular eingereicht werden, bei dem ausdrücklich eine „Infektionskrankheit“ (BK-Nr. 3101) eingetragen wurde.
Wird jedoch Covid-19 im Einzelfall nicht als Berufskrankheit anerkannt, besteht noch die Möglichkeit, die Infektion als Arbeitsunfall gelten zu lassen, wenn infolge dieser Ansteckung die Krankheit mit entsprechenden Symptomen ausbricht. Dazu ist es nötig, dass die Ansteckung und ihre Umstände in dem Verbandbuch oder Meldeblock des Unternehmens dokumentiert wurde (samt Meldung bei der Berufsgenossenschaft, die auch nachträglich möglich ist). Hierbei sollen die intensiven Kontakte zu allen Infizierten (Indexpersonen) am Arbeitsplatz vermerkt werden. Der Kontakt zu einer konkreten Indexpersonen muss frühestens 2 Tage vor und spätestens 10 Tage nach deren Symptomausbruch stattgefunden haben, also während sie ansteckend war.
Dieser Kontakt kann nur anerkannt werden, wenn er entweder ohne Maske ungeschützt im engen Nahfeld für über 10 min stattfand – bei einem Gespräch auch zeitlich unbegrenzt. Oder unabhängig vom Abstand (und auch mit Maske), wenn sich beide Personen in demselben Raum aufgehalten haben, in dem wahrscheinlich eine hohe Konzentration ansteckender Aerosole vorlag. In Einzelfällen reicht auch der Nachweis einer allgemein hohen Infektionslage im Berufsumfeld.
Jedoch wird von der DGUV immer auch geprüft, ob und wie ähnliche „außerberufliche Gefährdungen“ während dieser Frist zu der Covid-19-Infektion geführt haben könnten. Wobei grundsätzlich der kürzeste Weg zum Betrieb und zurück ebenfalls vom Versicherungsschutz gedeckt ist, nicht aber Pausen während der Arbeitszeit. Ob eine Kantine oder Gemeinschaftsunterkunft trotzdem ein anerkannter Ansteckungsort sein kann, hängt ab von Raumgröße, Belüftung und den Möglichkeiten dort Abstand zu halten.
Alle diese Voraussetzungen gelten allerdings nur für sozialversicherungspflichtige, gemeldete Tätigkeiten (auch für Schüler*innen, Studierende und beim Ehrenamt), sowie für Mini-Jobber*innen. Letztere sind trotzdem versichert, auch wenn sie (noch) nicht mittels eines „Haushaltsschecks“ gemeldet wurden, weil die Arbeitgeber*innen die Zahlung ihrer Pflichtbeiträge verhindern wollen.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ist seit 2021 durch tausende Berufskrankheitsmeldungen von Versicherten überlaufen und kann wegen erheblicher Bearbeitungsrückständen die in Rechnung gestellten Leistungen nicht mehr zeitnah begleichen [13]. Im Jahr 2022 wurde in mehr als 300.000 Fällen eine Covid-19-Erkrankung von der DGUV als Berufskrankheit anerkannt, sowie fast 25.000 mal als Arbeitsunfall. Die Statistik für September 2023 lag sogar noch knapp über diesen Werten [14].
Hinzu kommt, dass auch bei Anerkennung von Post Covid als Berufskrankheit der Zusammenhang zwischen der Infektion und den Langzeitsymptomen im Einzelfall durch medizinische Gutachten nachweisbar sein muss, sonst wird von der BGW keine Versichertenrente gezahlt. Diese „Kausalitätsbeurteilung“ erfolgt durch anerkannte Fachleute, die mehrere Monate für ein Gutachten benötigen. Ist man jedoch auch nach Ablauf der 6-wöchigen Entgeltfortzahlung und der „Aussteuerung“ des 78-wöchigen Krankengeldes noch arbeitsunfähig (weniger als 3 h täglich), so gilt die Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III.
Diese regelt ausnahmsweise den Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I) durch die Agentur für Arbeit während die zuständige Rentenversicherung noch die mögliche Erwerbsfähigkeit oder Reha-Ansprüche prüft. Dies ist auch während der monatelangen Widerspruchsverfahren oder Jahre andauernder Sozialgerichtsklagen möglich, allerdings nur bis zum üblichen Ablauf des Arbeitslosengeldes nach maximal 2 Jahren. Die Arbeitsagentur wird allerdings versuchen, eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit (für mindestens 15 Wochenstunden) festzustellen. Weshalb man verpflichtet werden kann, dem Arbeitsmarkt „im Rahmen der Möglichkeiten“ für eine „leidensgerechte Tätigkeit“ zur Verfügung zu stehen.[15]
Viele der an Long Covid erkrankten Menschen sind durch ihre Alltagsbeeinträchtigungen im Sinne der Sozialgesetze „von Behinderung bedroht“ und manche haben sogar einen durch ärztliche Gutachten festgestellten „Grad der Behinderung“ (GdB) bzw. einen versorgungsrechtlichen „Grad der Schädigungsfolgen“ (GdS) . Damit haben sie berechtigten Anspruch auf sozialstaatliche Leistungen zur Rehabilitation und beruflichen Teilhabe. Das beinhaltet auch spezielle Unterstützungsleistungen und finanzielle „Hilfen im Arbeitsleben“ als Nachteilsausgleiche, sowie Gleichstellungsansprüche. Hinzu kommt unter anderem ein besonderer Kündigungsschutz und die Freistellung von Mehrarbeit, sowie für Schwerbehinderte auch zusätzlicher Urlaubsanspruch und eventuell eine vorgezogene Altersrente.
Long Covid ist zwar bisher in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen noch nicht erfasst, aber einzelne gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Covid-19 können eine „Schwerbehinderung“ mit mehr als GdB 50 begründen. Bereits ab GdB 30 ist es möglich, bei der Agentur für Arbeit eine „Gleichstellung zum Ausgleich von Nachteilen im Arbeitsleben“ zu beantragen. Die Anerkennungsquoten sind allerdings recht niedrig, wobei ein fristgerechter Widerspruch beim Versorgungsamt eine erneute Prüfung erzwingt. Falls diese keine Abhilfe schafft, kann ebenfalls innerhalb eines Monats beim örtlichen Sozialgericht dagegen geklagt werden.
Eine in solchen Fragen hilfreiche Fachstelle ist die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Diese vermittelt Beratungs- und Unterstützungsangebote, sowie „Peer Counseling“ von Menschen mit Beeinträchtigung untereinander (https://www.teilhabeberatung.de). Weitere Informationen und ein Austauschforum für Betroffene gibt bietet auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe mit ihrer Online-Vernetzungsstelle (https://www.long-covid-plattform.de), bei der man auch lokale Adressen und Ansprechpersonen finden kann. Die Patienten*innen-Initiative Long Covid Deutschland hat weitere Informationen auf https://longcoviddeutschland.org.
Vorbeugung und Gesundheitsschutz
Welche Risikofaktoren einen Ausbruch von Long Covid hervorrufen, ist noch nicht genau geklärt, weshalb über den Schutz davor aktuell wenig bekannt ist. Die bestmögliche Vorbeugung besteht daher darin, jede Ansteckung mit SARS-CoV-2 weitestgehend zu vermeiden und im Zweifelsfall einen PoC-Antigen-Schnelltest zu machen. An der Entwicklung eines Nasensprays mit Lebendimpfstoff wird derzeit noch geforscht, um die Ansteckung über die Schleimhäute wirksam zu blockieren. Zur Behandlung einer beginnenden Covid-19-Erkrankung stehen meist antivirale Medikamente (Paxlovid, Remdesivir) zur Verfügung.
Auch die Impfungen schützen nachweislich vor einem schweren Verlauf von Covid-19 und damit auch vor dem Risiko für Langzeitfolgen. Zudem gibt es Hinweise, dass Schutzimpfungen die Häufigkeit und Stärke von Long Covid Symptomen um etwa 40% verringern. Mehrere Studien zeigen, dass nach doppelter Impfung das Long-Covid-Risiko etwa halbiert ist, bei einer dreifachen Impfung sogar um fast 70% geringer [8].
Weiterhin sind die bekannten Regeln höchst sinnvoll, um die Verbreitung des Virus durch Tröpfchen und Aerosole in der Raumluft aufzuhalten: in belebten Innenräumen stets FFP2-Masken tragen, möglichst Abstand halten, regelmäßiges Lüften und der Einsatz von HEPA-Luftfiltern und CO2-Messgeräten. Hinzu kommen allgemeine Hygieneregeln gegen Schmier-Infektionen, wie regelmäßiges Händewaschen, sowie Rücksichtnahme beim Husten und Niesen (z.B. in die Armbeuge).
Bei Atemwegserkrankungen sollte man sich krankmelden und zuhause bleiben bzw. isolieren, wobei einschränkte Kontakte nur mit Maskenschutz wahrzunehmen sind. Vor allem bedeutet es, eine Infektion allen Betroffenen mitzuteilen und sich mit Krankheitsanzeichen nicht zur Arbeit zu schleppen, um niemanden anzustecken, Und sich nicht unnötig durch Überstunden oder Stress im Homeoffice zu belasten.
Im Rahmen der Vorbeugung ist es aus gewerkschaftlicher Sicht sehr wichtig, am Arbeitsplatz auf eine ausreichende Gefährdungsbeurteilung zu achten. Nicht nur beim alltäglichen Umgang mit (möglicherweise) ansteckenden Kund*innen, Klient*innen oder Patient*innen im Betrieb. Sondern im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen von Long Covid auch bezüglich des Risikos für psychische Belastungen am Arbeitsplatz, sowie bei der Bedienung von Maschinen oder Transportmitteln. Dabei sollte selbst überprüft werden, ob die für Prävention zuständigen Fachkräfte ihre Aufgaben immer angemessen erfüllen. Sei es im jeweiligen Unternehmen (Betriebsärzt*in, Sicherheitsfachkraft) oder im Rahmen der staatlichen Gewerbeaufsicht.
Inklusion und Solidarität
Aus allen genannten Gründen ist es also sehr wichtig, weiterhin nicht auf eine rücksichtlose „Durchseuchung“ der Gesellschaft zu setzen. Sondern auf Vorbeugung, Therapie und Rehabilitation, sowie auf teilhabeorientierte Inklusion der chronisch Kranken. Am Arbeitsplatz und in der gewerkschaftlichen Praxis sollten einerseits weiterhin angemessene Hygieneregeln befolgt werden, Und andererseits müssen wir versuchen, auf die jeweiligen Bedürfnisse von Risikogruppen und Langzeitpatient*innen individuell einzugehen.
Das kann auch bedeuten, die Organisationsabläufe entsprechend zu verändern, indem hybride Zusammenarbeit durch persönliche Anwesenheit und virtueller Teilnahme möglich wird. Systematische Gefährdungsbeurteilungen und Hygienekonzepte wegen aktueller Infektionsrisiken und Rücksichtnahme auf psychische Belastung sollten daher in- und außerhalb des Betriebes selbstverständlich sein. Denn Barrierefreiheit bedeutet nicht nur flache breite Zugänge und Toiletten, sondern auch eine kommunikative Beteiligungsmöglichkeit oder Ruheräume für Menschen mit bio-psycho-sozialen Beeinträchtigungen.
Denn eine Gesellschaft lässt sich immer an ihrem Umgang mit den schwächsten Mitgliedern messen. Und wer Solidarität und gegenseitige Hilfe als Ideale einer befreiten Gesellschaft vorleben möchte, sollte sich sowohl am Arbeitsplatz, wie auch im sozialen Umfeld für diese Prinzipien einsetzen. Und sich jederzeit gegen die Diskriminierung von Kranken und Behinderten (Ableismus) und die eugenische Ideologie angeblicher „Erbgesundheit“ auszusprechen. Das bedeutet auch, die kapitalistische Propaganda einer post-pandemischen „neuen Normalität“ immer wieder in Frage zu stellen.
Denn „Corona“ ist nicht „vorbei“, sondern „gekommen, um zu bleiben“!
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln
Creative Commons: BY – NC
Anmerkungen:
1) im Englischen spricht man auch von Postacute sequelae of SARS-CoV-2 infection (PASC)
6) „innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig“ (§ 167 Abs. 2 SGB IX), sowie bei einer darauf folgenden Langzeiterkrankung
7) vgl. BAG-Urteil vom 18.11.2021 (Az. 2 AZR 138/21)
Vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Köln-Ossendorf haben sich am 31.12.2023 erneut etwa einhundert Leute versammelt, um an der jährlichen Anti-Knast-Kundgebung teilzunehmen. Dem abolitionistischen Aufruf der Gruppe Solidarity 1803 unter dem Motto „Silvester zum Knast!“ hatte sich natürlich auch das Autonome Knast-Projekt angeschlossen, ebenso wieder das ASN Köln.
Die überwiegend aus dem anarchistischen und autonomen Spektrum kommenden Teilnehmer*innen zündeten am frühen Abend Feuerwerk und riefen über die Knastmauern hinweg lautstark Parolen gegen das systematische Wegsperren. Die Forderung „Freiheit für alle Gefangenen“ galt dabei nicht nur den „politischen“, sondern auch den aus sozialen Gründen Inhaftierten.
Schließlich ist „abseits des aktuellen Trends von Strafrechtsverschärfungen – trotz eines kontinuierlichen Rückgangs von Straftaten – (…) längst die Einsicht eingekehrt, dass Freiheitsstrafen Verbrechen nicht verhindern und auch sonst der Gesellschaft wenig praktischen Nutzen bieten.“ (https://www.cilip.de/2021/04/12/zwischen-praxis-und-utopie-alternativen-zu-knast-und-strafe/)
Doch da das Wegsperren von unliebsamen Personen, die wegen illegaler Handlungen verurteilt wurden, auch in einer parlamentarischen Demokratie zum Alltag gehört, sind die Haftanstalten voll mit Menschen in Sicherheitsverwahrung, Ordnungshaft und Jugendarrest. Viele verbüßen auch Ersatzfreiheitsstrafen, weil sie die gerichtlich verhängten Strafgelder nicht zahlen können.
Hinzu kommen Untersuchungsgefangene, sowie Abschiebehäftlinge (und an den EU-Außengrenzen Gefangene), die eingesperrt werden, ohne dass sie wegen einer Straftat verurteilt wurden. Die harte Hand des von Rassismus geprägten Justizsystems trifft erbarmungslos vor allem von Armut und Ausgrenzung Betroffene, die wegen Diebstahl von Lebensmitteln, Fahren ohne Fahrschein oder Drogendelikten weggesperrt werden.
Darüber hinaus möchten wir daran erinnern, dass weltweit nicht nur politische Aktivist*innen und Umweltschützer*innen verfolgt und eingesperrt werden, sondern auch Gewerkschafter*innen und Journalist*innen. Oder Menschen, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer ethnischen Identität staatlichen bzw. religiösen Repressionen ausgesetzt sind, wobei sie in vielen Ländern auch noch mit der Todestrafe bedroht werden.
Wer jedoch in bundesdeutschen Haftanstalten sitzt, wird unter dem Vorwand einer kapitalistischen Resozialisierung auch zu skandalös unterbezahlter Zwangsarbeit verpflichtet: „Aufgrund der Arbeitspflicht werden Strafgefangene nicht als Arbeitnehmerinnen definiert. Diese Nichtanerkennung ist folgenreich, denn Strafgefangene können keine Arbeitnehmerinnenrechte in Anspruch nehmen. Für sie gelten demzufolge keine arbeitsrechtlichen Mindeststandards, d.h. keine gesetzliche Kranken-, Pflege und Rentenversicherung, keine Urlaubs- oder Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, kein Organisierungs- oder Streikrecht. Strafgefangenen wird zudem kein Anspruch auf den Mindestlohn zugestanden.“ (https://www.grundrechtekomitee.de/details/doppelt-bestraft-arbeitszwang-und-ausbeutung-in-haft)
All dies sind Gründe genug, um gegen die Institution Gefängnis nicht nur an Silvester, sondern immer wieder auf die Straße zu gehen. Und eine radikale Überwindung des unterdrückerischen staatlichen Strafsystems zu fordern, beispielsweise durch Föderung von solidarischen Alternativen wie selbstbestimmte Transformative Gerechtigkeit.
In Köln-Mülheim haben am 18.11.2023 etwa hundert Leute gegen die im Rahmen der Krankenhausreform geplante Schließung der Klinik in Holweide und des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße protestiert. Das ASN Köln hat sich der Demonstration von Gewerkschafter*innen und linken Organisationen angeschlossen, um gemeinsam gegen den drohenden Stellenabbau und miese Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche auf die Straße zu gehen.
Statt der kostenorientierten Schließung dieser Gesundheitseinrichtungen wäre nämlich ein Ausbau der Grundversorgung dringend nötig. Vor allem in den von Armut und Rassismus abgewerteten Stadtteilen in Norden und Osten der rheinischen Metropole. Der Stadtrat hat hingegen einen Umbau der Versorgungsstruktur durch Abgebotskürzungen und Zentralisierung im Klinikum Köln-Merheim beschlossen.
Die Abschlusskundgebung vor dem Wahlkreisbüro des sozialdemokratischen Bundesgesundheitsministers Lauterbach, bei der das aufrufende Bündnis Unterschriftenlisten einer Petition übergeben wollte, haben wir uns jedoch gespart. Schließlich setzen wir keine Hoffnung in Parlamentarismus und Stellvertretungspolitik. Denn zu selbstorganisierten, direkten Aktionen der von kapitalistischer Ausbeutung Betroffenen sehen wir keine Alternative.
Bereits zum 13. Mal hatte die Klimagerechtigkeitsbewegung „Fridays for Future“ (FFF) zu einem globalen Aktionstag aufgerufen. Ob die Teilnehmer*innen am 15.09. tatsächlich für diesen politischen „Streik“ ihre Schulen oder Arbeitsplätze verlassen haben, ist fraglich. Jedoch ist erkennbar, dass zumindest in Deutschland sich die vor fünf Jahren gegründete Jugendbewegung zu einem generationsübergreifenden Bündnis entwickelt hat, das zunehmend gewerkschaftliche und teilweise auch antikapitalistische Inhalte vertritt.
Bei der hiesigen Demo, zu der etwa 8.000 Menschen aller Generationen vom Hauptbahnhof in die Südstadt zogen, war auch das ASN Köln wieder mit dabei. Wir haben erneut versucht, auf die dringend benötigte öko-soziale Transformation der fossilen Industrien aufmerksam zu machen. Zudem stand das weltweite Motto des globalen Aktionstags unter dem Motto #EndFossilFuels, also für den sofortigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle, Öl und Gas.
Dass die Organisator*innen von FFF mittlerweile jedoch kostspielige Bühnenveranstaltungen als Straßenfeste inszenieren ist jedoch mit einem nachhaltigen Umbau der zerstörerischen Wirtschaftsweise kaum zu vereinbaren. Zugleich richtet diese Nicht-Regierungs-Organisation, welche weiterhin von Jugendlichen und Studierenden dominiert wird, ihre reformistischen Forderungen an die Bundespolitik. Sie fordert die Ampel-Koalition unter anderem zur Einhaltung ihrer Wahlversprechen auf, wie „das Klimageld, eine Verschärfung des Klimaschutzgesetzes, höhere Investitionen in den ÖPNV und ein Ende fossiler Subventionen.“
Auch die Verkehrswende steht auf dem Programm: Weg von individueller Atomobilität und exzessiven Flugreisen hin zu einem kostenlosen, barrierefreien Öffentlichen Nahverkehr. Dass dabei nicht nur auf die Bedürfnisse der Berufspendler*innen geachtet wird, sondern auch die Beschäftigten im ÖPNV in diesen Wandel einbezogen werden, ist ein Fortschritt in der Klimadebatte. Dass FFF sich dabei mit kapitalfreundlichen DGB-Gewerkschaften, wie ver.di zusammenschließt, verwundert kaum. Die auf öffentliche Anerkennung ausgerichteten Klimaaktivistinnen haben Anfang 2023 gemeinsam mit Umweltverbänden die Streiks im Nahverkehr unter dem Motto #wirfahrenzusammen unterstützt und das Bündnis „ÖPNV braucht Zukunft“ für eine ökologische und soziale Mobilitätswende.
Daher fordert Fridays for Future: „Bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung, insbesondere in für Klimaschutz und Klimaanpassung relevanten Berufen wie z.B. Erneuerbaren Energien, ÖPV, Bausektor etc., um dem dortigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken“. Eine Überwindung des zerstörerischen Kapitalismus mit seinem (neo-)kolonialen Rohstoff-Raubbau und militärischer Absicherung der imperialen Lebensweise in den reichen Metropolen steht dabei leider nicht auf dem Programm. Ebensowenig wie eine radikale Abkehr von der eigentumsbasierten Marktwirtschaft zugunsten einer Bedürfnisorientierung in gesellschaftlicher Eigenregie. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und nicht nur gemäßigte Reden auf der Volksfest-Bühne zu schwingen, sondern im Betrieb, auf der Straße und am Wohnort das herrschende Ausbeutungssystem infrage zu stellen.
Auch dieses Jahr waren wir wieder gemeinsam mit aktiven
Gewerkschafter*innen in allen Ländern auf der Straße, um einerseits an
die lange und mühsame Geschichte von Arbeitskämpfen (nicht erst seit dem
Mai 1886)
zu erinnern. Und andererseits, um heute für eine globale Verbesserung
der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Nicht nur für
Lohnabhängige und Solo-Selbständige, sondern auch für Erwerbslose und
Rentner*innen, Fürsorge-Leistende, Schüler*innen und Student*innen auf
der ganzen Welt.
In Gedenken an die anarchistischen Justiz-Opfer
nach dem Haymarket-Massaker von Chicago, mit dem Staat und Kapital die
aufstrebende Bewegung für einen 8-Stunden-Arbeitstag bekämpfte, hat das
ASN Köln auf dem Alter Markt eine kleine Präsentation gezeigt. Einige
Passant*innen zeigten sich interessiert an dieser Ausstellung zur
Geschichte des Ersten Mai und wir haben nicht nur Gespräche geführt,
sondern auch Flugblätter verteilt.
Der benachbarte Heumarkt mit dem Straßenfest des DGB war mit
Metallgittern gesichert und von einer Security-Firma bewacht, so dass
der öffentliche Platz nicht mehr uneingeschränkt zugänglich war. Dort
waren zahlreiche Stände aufgebaut, wo die sozialdemokratischen
Gewerkschaften Seite an Seite mit marxistisch-leninistischen
Kommunist*innen der Rede der reformistischen DGB-Vorsitzenden Fahimi
lauschten.
Eine Alternative dazu bot erneut die Libertäre Erste-Mai-Demo im
benachbarten Bonn, zu der sich ab 14 Uhr etwa 150 Demonstrant*innen
versammelt hatten. Dem Aufruf der linken Hochschulgruppe LUST
gefolgt waren auch Anarchist*innen und Anarchosyndikalist*innen, die
unter dem Motto „Streik dem Stratus Quo“ durch die Innenstadt des
ehemaligen Regierungssitzes zogen.
In Solidarität mit aktuellen und historischen Arbeitskämpfen wurde
die Ablehung von Lohnarbeit und Kapitalismus deutlich gemacht.
Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, dass die autoritäre Vereinnahmung
von Krisenprotesten durch rechte und linke Politiker*innen abgelehnt
wird. Auch die Abschaffung der patriarchalen Herrschaft, vor allem die
Ausbeutung von Frauen* durch Niedriglöhne und Reproduktionsarbeit, wurde
von feministischer Seite gefordert.
Geeint in der „Ablehung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und [dem] Streben nach einer befreiten Gesellschaft“ zog das Bündnis mit lautstarken Parolen und Musik bis zu einer Zwischenkundgebung am Friedensplatz und löste sich zum Abschluss am Frankenbad allmählich auf. Der unermüdliche Widerstand gegen Staat und Kapital, Ausbeutung und Unterdrückung geht auch nach dem 1. Mai weiter, im alltäglichen Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung. Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln
Ein Bericht von der Podiumsveranstaltung in der Universität am 16.03.2023:
Nachdem das Werk des Achswellen-Herstellers GKN in Campi Bisenzio
2021 geschlossen und über 400 Metallarbeiter*innen entlassen wurden, ist
das Fabrikkollektiv im Kampf gegen Lohnraub und Repression. Sie konnten
zwar die Entlassungen formell rückgängig machen, aber sind eigentlich
ohne Arbeit. Daher fordern sie die Übernahme und Konversion des
mittelitalienischen Autozulieferer-Werkes durch die ständige Versammlung
der Arbeiterinnen, welche seit 20 Monaten die Fabrik besetzt halten.
Gemeinsam mit Aktivistinnen der regionalen
Klimagerechtigkeitsbewegung und lokalen Anwohnerinnen haben sie seitdem
mehrere Aktionstage und einen Generalstreik organisiert, um auf ihr
Anliegen aufmerksam zu machen. denn die kämpferische Belegschaft möchte
nicht einfach nur das geschlossene Werk wiederbeleben, um weiter den
individuellen Autoverkehr zu ermöglichen, sondern ihre
Produktionsanlagen sollen nachhaltige Bauteile herstellen,
beispielsweise für Elektrobusse im kostenlosen ÖPNV. Auch Lastenräder
und grüne Photovoltaik stehen auf ihrer Wunschliste für eine
sozial-ökologische Transformation.
Doch seit fünf Monaten werden ihre Löhne nicht mehr ausgezahlt und
weder die Forderung nach einer Verstaatlichung des Betrieben, noch
Hoffnungen auf eine kommunale Trägerschaft haben sich bisher erfüllt.
Daher haben die Arbeiter*innen nun eine Kooperative für Gegenseitige
Hilfe gegründet, um durch Crowdfunding die Produktion mit neuen
Maschinen zum Laufen zu bringen. Trotz der Gefahr einer Selbstausbeutung
innerhalb des globalen Kapitalismus, hoffen sie dennoch, über ihre
Arbeitsbedingungen selbst bestimmen und einen vorbildlichen Beitrag zum
Umweltschutz leisten zu können.
Auf ihrer Mobilisierungsreise durch Europa haben sie nun auch an der
Universität Köln Station gemacht und in Zusammenarbeit mit Fridays For
Future über ihren öko-sozialistischen Arbeitskampf berichtet. Dass dies
auch marxistische Parteien anlockt, die einen autoritären
Staatskapitalismus propagieren, verwundert nicht. Dass FFF, die seit dem
jüngsten Klimastreik
mit der reformistischen Gewerkschaft Ver.di kooperieren, nun auch einen
Funktionär der IG Metall ins Podium einlädt, ist ebenfalls keine
Überraschung.
Dennoch ist der schrittweise Brückenschlag zwischen
Klimaaktivist*innen und Gewerkschaftsbewegung ein wichtiges Signal für
eine radikale Überwindung des fossilen Kapitalismus jenseits von
EU-Fördergeldern und marktliberalem Greenwashing. Diese
Konversionsperspektive gilt es nun bei den Solidaritätsaktionen für die
aktuellen Warnstreiks im Öffentlichen Dienst weiter in den Vordergrund zu rücken.
Präsentation der Broschüre „Anders wirtschaften – Alternative Ökonomie in Köln“, Fr 04.03., 19 Uhr,A-Forum im AZ Köln,
Luxemburger Str. 93, U18: Eifelwall/Stadtarchiv
Nachdem monatelang in Köln die Gegner*innen von Covid-Schutzmaßnahmen unter Führung rechter Veranstalter*innen und gemeinsam mit AfD-Mitgliedern und Nazi-Hooligans meist unwidersprochen mehrmals wöchentlich durch die Innenstadt gezogen sind, mehren sich seit Anfang 2022 antifaschistische Gegendemonstrationen. Damit die „Querdenken-Spaziergänge“ mit ihren antisemitischen Verschwörungsmythen und rechtspopulistischen Parolen nicht unwidersprochen bleiben, versammeln sich jetzt regelmäßig montags hunderte Demonstrant*innen um 18 Uhr auf dem Neumarkt zu der vom Bündnis „Köln ist solidarisch“ angemeldeten Gegenkundgebung.
Aber auch in Stadtteilen, wie Porz oder Nippes, regt sich vermehrt Widerstand gegen die rechtspopulistischen Hetzkampagnen mit ihrem rücksichtslosen Egoismus der bürgerlichen Individuuen. Um auf diesen Protesten über alternative Maßnahmen im Sinne einer Niedriginzidenz-Strategie in der Corona-Krise zu informieren, verteilen wir dort die Zeitung der Kampagne„Zero Covid“. Als Basisgewerkschafter*innen fordern wir beispielsweise eine Aufwertung der Pflegearbeit, den Erhalt von Krankenhäusern, eine globale Freigabe der Impfpatente, sowie angemessenen Wohnraum auch für Obdachlose und Geflüchtete. Daher haben wir am 29.01.2022 an der Protestkundgebung in Köln-Mülheim teilgenommen, die sich gegen die „Querdenken“-Demo von „Köln ist aktiv“ auf dem Wiener Platz richtete.
Angesichts der momentanen Masseninfektionen durch die Omikron-Variante, welche die Regierung mit ihrer Durchseuchungspolitik noch verstärkt, und der drohenden Long-Covid-Welle durch unabsehbare Folgeerkrankungen fordern wir weiterhin, über einen Generalstreik in allen Bereichen von Produktion und Dienstleitung nachzudenken, um die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz (und im täglichen Nahverkehr) endlich auf Null zu reduzieren: Kapitalismus herunterfahren!
Am globalen Klimastreik-Aktionstag 24.09.2021, zu dem die Bewegung „Fridays For Future“ aufgerufen hatte, kamen auch in der Kölner Innenstadt mittags mehr als 10.000 Demonstrant*innen aller Altersstufen zusammen, um gegen die fortschreitende Zerstörung der Biosphäre zu protestieren. Von drei Auftaktkundgebungen aus trafen sie am Neumarkt zusammen und zogen am Heumarkt vorbei zur Bühne an der Deutzer Werft.
In rund 470 Städten und Ortschaften fanden bundesweit ebenfalls den ganzen Nachmittag über Streikkundgebungen statt, während viele der Teilnehmenden eigentlich in Schule, Uni oder Betrieb anwesend sein sollten. Doch gegen die fossile Industrie und den Ausstoß giftiger Treibhausgase, wie CO2 und Methan, gehen immer wieder weltweit Menschen auf die Straßen. An solchen Aktionstagen gegen Erderwärmung und Artensterben, beteiligt sich die globale Klimabewegung mit etwa 7.500 Protestversammlungen auf allen Kontinenten.
Dass bereits heute in vielen ehemals kolonisierten Ländern des Südens die Menschen unter den lebensfeindlichen Umweltveränderungen leiden müssen, wird von der Bewegung für Klimagerechtigkeit immer wieder betont. Ebenso, dass sich Unterdrückungsformen, wie Rassismus und Frauen*feindlichkeit, mit der kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Natur stetig weiter verschärfen. Nur gemeinsam und gleichberechtigt können wir daher die fossile Produktionsweise verändern, welche von systematischer Staatsgewalt und Medienpropaganda gestützt wird.
#allefuersklima ist in diesem Sinne auch ein Aufruf, sich an allen Arbeitsplätzen, Lehrveranstaltungen und öffentlichen oder privaten Orten für eine lebenswerte Welt auf einem endlichen Planeten einzusetzen – ohne Naturzerstörung, Gesundheitsgefährdung und Ausbeutung. Dafür kämpfen weltweit nicht nur Schüler*innen, Studierende, Rentner*innen und Fürsorge-Tätige, sondern auch gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen und Erwerbslose. Denn wer könnte eine nachhaltige Wirtschaftsweise, die nicht an Profit und Macht, sondern an solidarischer Erfüllung der gesellschaftlichen Bedürfnisse orientiert ist, besser kollektiv organisieren, als die betroffenen Menschen selbst?
Zum Abschluss der Aktionswoche „Kultur ohne Kohle„ sind am 15.08. erneut hunderte Menschen nach Lützerath ins Rheinische Revier gekommen, um gegen den klimaschädlichen Braunkohle-Tagebau zu protestieren. Neben dem traditionsreichen „Dorfspaziergang“ (Richtung Immerath und Holzweiler) fand auch eine Grubenbesetzung der „Lebenslaute“statt. Continue reading →
Am Sa 22.05.2021 fand in der Kölner Innenstadt eine Demonstration statt, um gegen die von der CDU-Landesregierung geplante Verschärfung des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes zu protestieren:
„Sollte dieser Gesetzentwurf durchkommen, würden Bewegungen im Kampf um soziale Gerechtigkeit massiv eingeschränkt und behindert. So würden u.a. Vorbereitungen zur Blockade oder die Störung von Naziaufmärschen unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt werden. Für die Klimabewegung, gewerkschaftliche Proteste und Arbeitskämpfe, den emanzipatorischen Kampf um Geschlechtergerechtigkeit, die Gesundheitsversorgung und für antifaschistische und antirassistische Aktionen hätte das Gesetz verheerende Auswirkungen. Selbst Proteste von Stadtteil-Initiativen zum Beispiel für verkehrsberuhigte Straßen würden schon erschwert. Statt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu garantieren, schafft der Gesetzentwurf die Grundlage für noch mehr Willkür der Polizei.“ (Aufruf des Kölner Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrechte erhalten“)
Die Neufassung sieht vor, dass bestimmte Formen legitimer Proteste in Zukunft kriminalisiert werden sollen. Es kommen weitere Ordnungswidrigkeiten hinzu und die Strafen sollen erhöht werden. Die Anmeldung und Durchführung legaler Versammlungen soll erschwert werden, außerdem sollen Demonstrant*innen eingeschüchtert und abgeschreckt werden. Auch mit dem Sammeln persönlicher Daten und weiteren bürokratischen Hürden versucht die Regierung künftige Proteste zu verhindern oder zu erschweren.
In Zeiten zunehmender rechter Terrornetzwerke und rassistischer Polizeiskandale versucht sich Ministerpräsident Laschet als autoritäre Führungskraft für seine Kanzlerkandidatur bei den Bundestagswahlen im Herbst zu profilieren. Die konservativ-marktliberale Landesregierung dient sich dabei auch den Interessen des Kohle-Konzerns RWE an und kriminalisiert bekannte Protestformen der Klimabewegung, z.B. von Ende Gelände unter dem Vorwurf von „Uniformierung“.
Aber auch gewerkschaftliche Versammlungen mit einheitlichen Kleidungsstücken oder Bauarbeiter*helmen könnten durch das neue Gesetz zu staatlicher Verfolgung führen. Das Recht auf Versammlungsfreiheit muss aber nicht nur auf der Straße, sondern auch am Arbeitsplatz (z.B. in Betriebsversammlungen) immer wieder gegen die Interessen von Staat und Kapital erkämpft bzw. verteidigt werden. Continue reading →
Mit kleinen Kundgebungen, öffentlichen Demonstrationen und einem kreativen Online-Programm hat die Kampagne„Zero Covid“am 10.04.2021 einen internationalen, dezentralen Aktionstag auf mehreren Kontinenten durchgeführt. Im deutschsprachigen Raum fanden in zwei Dutzend Städten coronasensible Proteste gegen die andauernde Lockerungspolitik statt, welche zwar individuelle Freiheitsrechte einschränkt, aber die kapitalistische Marktwirtschaft vor teuren Maßnahmen schützt.
Etwa 100 Menschen sind am Samstag 27.03. nachmittags auf dem Heumarkt zusammengekommen, um gegen die weiterhin steigenden Mieten zu protestieren. Denn während zahlreiche Bürogebäude ungenutzt bleiben und einige Mietshäuser wegen Baufälligkeit leerstehen, ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt mittlerweile dramatisch.
Nicht nur für Obdachlose und Geflüchtete wird es fast unmöglich gemacht, eine menschenwürdige Unterkunft zu nutzen. Auch Alleinerziehende, Arbeitslose und Rentner*innen können sich die rücksichtslos angehobenen Quadratmeterpreise meist nicht leisten. Die Folgen sind Verdrängung an den Stadtrand, überfüllte Unterkünfte, verschimmelte Kellerbehausungen, vernachlässigte Hochhaus-Siedlungen und Elendsquartiere. Continue reading →
Ein halbes Jahr nach dem letzten weltweiten Aktionstag im September 2020 fanden am 19.03.2021 trotz der anhaltenden Covid-19-Pandemie erneut in 50 Ländern Proteste für Klima-Gerechtigkeit und gegen Umweltzerstörung statt.
„Fridays For Future“ als transnationale und teilweise basisdemokratische Graswurzelbewegung hatte zu coronasensiblen Veranstaltungen mit virtueller Beteiligung im LiveStream und dezentralen Versammlungen aufgerufen. Unter dem Motto #AlleFür1Komma5 ging es um den dringend benötigten, radikalen Stopp des Treibhausgas-Ausstoßes, damit die Erdtemperatur sich nicht um 1,5°C erhöht. Continue reading →
„Das Ziel heißt Null Infektionen!
Für einen solidarischen europäischen Shutdown
Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben.
Die Strategie, die Pandemie zu kontrollieren, ist gescheitert („flatten the curve“). Sie hat das Leben dauerhaft eingeschränkt und dennoch Millionen Infektionen und Zehntausende Tote gebracht. Wir brauchen jetzt einen radikalen Strategiewechsel: kein kontrolliertes Weiterlaufen der Pandemie, sondern ihre Beendigung. Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein. Continue reading →
In verschiedenen Redebeiträgen wurde die Gefängnis-Industrie, die Zwangsarbeit in Gefängnissen und die staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen grundsätzlich abgelehnt, sowie zu weiteren Solidaritätsaktionen aufgerufen. In den Ansprachen wurden ausdrücklich nicht nur die politischen, sondern auch die sozialen Gefangenen gegrüßt. Die über Lautsprecher verstärkten Grußadressen waren in mehreren Sprachen verfasst, sodass auch die nicht-deutschsprachigen Straf- und Untersuchungshäftlinge vielleicht die Botschaften verstehen konnten.
Auf Silvesterfeuerwerk wurde während der corona-gerechten Versammlung wegen des Pyrotechnikverbots verzichtet, aber die gute Stimmung kam hoffentlich trotzdem jenseits der Kerkermauern an.
Das „Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen“ hat am Sa 05.09.2020 eine Protestdemonstration mit hunderten Teilnehmer*innen organisiert. Nach der Auftaktkundgebung am Dom ging es durch’s Kunibertsviertel zum „Institut der Deutschen Wirtschaft“ am Rheinufer. Auch vor dem nahegelegenen Seniorenheim St.Vincenz-Haus wurden Reden gehalten, gegen die (nicht erst seit der Corona-Pandemie) dramatischen Arbeits- und Lebensbedingungen im marktwirtschaftlich und patriarchal geprägten Gesundheitssystem.
Mehrere Alten- und Krankenpfleger*innen, sowie andere Berufsgruppen, aber auch solidarische Gesundheitsinitiativen und betroffene Patient*innen beteiligten sich an der Demonstration, die im Park am Theodor-Heuss-Ring endete. Von dem Motto der Veranstaltung „Das Klatschen auf die Straße tragen! Pflege-Aufstand jetzt!“ konnte zwar nur der erste Teil verwirklicht werden, aber trotzdem könnte dies der Anfang sein für noch weitere, dringend nötige Protestaktionen in dieser gesellschaftlich lebenswichtigen Branche. Continue reading →