Köln: Demo gegen Pflegenotstand

Das „Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen“ hat am Sa 05.09.2020 eine Protestdemonstration mit hunderten Teilnehmer*innen organisiert. Nach der Auftaktkundgebung am Dom ging es durch’s Kunibertsviertel zum „Institut der Deutschen Wirtschaft“ am Rheinufer. Auch vor dem nahegelegenen Seniorenheim St.Vincenz-Haus wurden Reden gehalten, gegen die (nicht erst seit der Corona-Pandemie) dramatischen Arbeits- und Lebensbedingungen im marktwirtschaftlich und patriarchal geprägten Gesundheitssystem.

Mehrere Alten- und Krankenpfleger*innen, sowie andere Berufsgruppen, aber auch solidarische Gesundheitsinitiativen und betroffene Patient*innen beteiligten sich an der Demonstration, die im Park am Theodor-Heuss-Ring endete. Von dem Motto der Veranstaltung „Das Klatschen auf die Straße tragen! Pflege-Aufstand jetzt!“ konnte zwar nur der erste Teil verwirklicht werden, aber trotzdem könnte dies der Anfang sein für noch weitere, dringend nötige Protestaktionen in dieser gesellschaftlich lebenswichtigen Branche.

Denn mit schönen Wahlversprechen oder schäbigen Einmalzahlungen kann weder die Wut der Kolleg*innen besänftigt werden, noch lassen sich damit die prekären Zustände in der stationären und ambulanten Versorgung bzw. Privatpflege verbessern. Im Aufruf zu der Demonstration hieß es dazu:

„Das Coronavirus hat die Welt und unseren Alltag weiter fest im Griff. Diese Gefährdung von Leben hat System! In Altenheimen (wie zuletzt bei einem privaten Träger in Köln-Rodenkirchen [siehe Bericht]), in Flüchtlingsunterkünften (wie im Juli in einer Sammelunterkunft in Köln-Porz), in Fabriken (wie in den Schlachtbetrieben von Tönnies) oder in engen Wohnkomplexen bricht der Virus regelmäßig aus und Menschen erkranken – weil sie unter gefährlichen Bedingungen arbeiten, produzieren, wohnen und leben müssen.

Der Alltag ist das Problem! Covid-19 ist ein Verstärker…

Seit dem weltweiten Ausbruch des Coronavirus wurde viel geredet: Über das Gesundheitswesen und wie wichtig neben dem ärztlichen Personal auch die Pflegekräfte seien. Es wurde geklatscht und Politiker*innen aller Parteien sangen Lobeshymnen in den Talkshows. Von netten Worten allein ist aber nichts getan gegen den eklatanten Personalmangel, gegen fehlendes Schutzmaterial, gegen die Privatisierung von Kranken- und Altenpflege und gegen schlechte Bezahlung.

Vom Klatschen hat keine Pflegehelferin in der stationären Altenhilfe, keine Altenpflegerin in der ambulanten Betreuung, keine Reinigungskraft im Krankenhaus und kein Krankenpflegerin im Schichtdienst auch nur einen Cent mehr in der Tasche – geschweige denn werden die Kolleg*innen von den Überstunden, dem ständigen Einspringen und dem Druck durch die Pflegedienstleitung und die Unternehmenschefs entlastet. (…)

Im Gesundheitswesen herrschen Kostendruck, Investitions- und Sanierungsstau, mangelhafte Ausstattung, horrender Personalmangel, schlechte Bezahlung, unglaublicher Stress und Zeitdruck für die Pfleger*innen und dadurch ethisch grenzwertiger Umgang mit Patient*innen! Das wollen und müssen wir ändern!

Alle reden von der Rückkehr zur Normalität, doch wir können nicht einfach zurück zum bestehenden Schlechten. Wir müssen was verändern! Das Gesundheitswesen muss jetzt sofort vernünftig und sinnvoll geplant sein – und darf sich nicht an der bloßen betriebswirtschaftlichen Rentabilität orientieren. Es braucht wohnortnahe, bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgungseinrichtungen, mit ausreichender personeller Ausstattung und guten Arbeitsbedingungen, Zeit für Patient*innen und Erholung. Diese Aufgaben gehören in die öffentliche Hand und perspektivisch vergesellschaftet!“

Auf die staatliche Herrschaft braucht man dabei jedoch nicht zu vertrauen, da diese die Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen seit Jahrzehnten durchsetzt und gleichzeitig Migrant*innen ohne Aufenthaltsrechten eine umfassende medizinische Versorgung verweigert. Was dringend benötigt wird, ist ein grundlegender solidarischer Wandel, nicht nur in der Gesundheits- und Pflegebranche, sondern im gesamten Bereich der (mehrheitlich immernoch weiblich geprägten) Fürsorgearbeiten in Haushalt, Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft. Und selbstorganiserte Arbeitsplätze, in denen die sozialen Aufgaben gemeinsam gestaltet werden – jenseits von kapitalistischer Gewinnlogik, Fremdbestimmung und Ausbeutung.

ASN Köln

Mehr Infos zu Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen:
hier und auf https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org

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